The Painters Eye in Photographie

Die Ausstellung A Painters Eye in Photographie wird vom Kuratorenteam Lexan Frye/ Ines Auerbach kuratiert und wird am 9.8. 2015 um 11Uhr im Haus der Fotografie in Burghausen eröffnet.

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Die Ausstellung ist der zweite Teil der Doppelausstellung „painting meets photography“, die das Spannungsfeld und die Wechselbeziehung zwischen den beiden Kunstgattungen Malerei und Fotografie untersucht.

 

„THE PAINTERS EYE IN PHOTOGRAPHY“ zeigt neun internationale Positionen der Fotografie und Medienkunst, die in heterogener Weise einen durch die Auseinandersetzung mit der Malerei geschulten Blick auf die Welt richten.

 

Der Rückgriff auf die ästhetischen Erscheinungsformen der Malerei der alten Meister, das Sichtbarmachen malerisch erscheinender Phänomene in Natur und Gesellschaft und die Konstruktion digitaler Bildwelten unter Berücksichtigung von Stilmitteln der Malerei sind Ausgangspunkt der Arbeiten der in der Ausstellung vertretenen KünstlerInnen.

 

Teilnehmende KünstlerInnen: Carla van de Puttelaar, Martin Klimas, Nina Kopp, Bernhard Edmaier, Gabi Blum, Marian Luft, Katrin Korfmann, Hiroyuki Masuyama, Minyoung Paik.

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Haus der Fotografie Burghausen, 09.08.2015 um 11 Uhr

Einführung: Ines Auerbach in Zusammenarbeit mit Lexan Frye

Ein herzliches Willkommen zur Eröffnung der Ausstellung „THE PAINTERS EYE IN PHOTOGRAPHY“. Es handelt sich um den zweiten Teil der Doppelausstellung „painting meets photography“ , also Malerei trifft auf Fotografie und umgekehrt. Beide Kunstgattungen kämpfen um eine Vorrangstellung im Kunstbetrieb, stacheln sich an aufgrund der vorherrschenden Konkurrenz seit Erfindung der Fotografie an und nutzen zugleich die Errungenschaften und Vorteile des anderen.

Ein kurzer Blick zurück zum ersten der Teil der Doppelausstellung, mit dem Titel „Lens Based Painting“. Es war Malerei zusehen, in deren Entstehungsprozess die Kamera ein wichtiges Hilfsmittel war. Die Spannweite ging von Positionen, die sich dem Photorealismus näherten und fast zur Fotografie wurden, bis zu Arbeiten, bei denen Fotografie lediglich die Funktion von Skizzen übernahm, aus denen heraus ein Bild entwickelt wurde.

Hier im zweiten Teil der Doppelausstellung wird der Blick auf die Fotografie und Medienkunst gerichtet.

THE PAINTERS EYE IN PHOTOGRAPHY – Der malerische Blick in der Fotografie – der Titel der Ausstellung wirft Fragen auf:

Was muss bzw. was kann man sich unter einem malerischen Blick in der Fotografie vorstellen? Wie hat die Malerei die Fotografie im Laufe der Geschichte beeinflusst?

… und vor allem, welche relevanten zeitgenössischen Positionen in der Fotografie und Medienkunst gibt es, die sich heute mit der Malerei auseinandersetzen?

Als erstes kommt einem sicherlich der Pictoralismus in den Sinn. Eine Richtung der Fotografie, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh entwickelt hat. Dort kann man beobachten wie die Fotografie versucht hat, der Malerei nachzueifern. Die Künstler des Piktoralismus bemühten sich darum die Fotografie von den Begriffen wie „objektive Genauigkeit“ oder „ mechanische Genauigkeit“ zu befreien.

Sie versuchten typische Merkmale der Malerei in ihre Fotografie einzubinden. Also malerische Charakteristika wie die eigene Subjektivität, die weichen Konturen und die „künstlerische Unschärfe“. Sie entwickelten dafür neue fotografische Methoden, wie das Weichzeichnen, das Nutzen von Spezialobjektiven und die zeichnerische, grafische oder malerische Nachbearbeitung der Abzüge.

Doch dabei blieb es nicht. Die Fotografen und Fotografinnen greifen seither mit unterschiedlichen Ansätzen die Errungenschaften der Malerei auf.

Und genau da setzt diese Ausstellung an: sie möchte die Behandlung des Themas an anhand griffiger Beispiele veranschaulichen und zeigt dafür international herausragende fotografische und medienkünstlerische Positionen.

Nun, machen wir einen kurzen Rundgang durch die Ausstellung:

Der japanische Fotograf Hiroyuki Masuyama, dessen kleine Leuchtkästen Sie an der freistehenden Stellwand sehen, ahmt in seiner Serie „ …….“ die Wirkung der Gemälde von William Turner mit vollkommen anderen technischen Mitteln nach. Er begibt sich ganz wie Turner Ende des 19. Jahrhunderts auf Europareise und besucht die Plätze, die Turner selbst besucht und in Form kleiner Gemälde festgehalten hat. Masuyama machte dort pro Platz über Hunderte von Fotografien zu verschiedenen Zeiten und überlagerte die Fotografien in feinsten Abstufungen, um eine Atmosphäre wie in den Bildern Turners zu schaffen. Er erreicht damit die Auflösung der Objektgrenze, ganz wie in der Malerei. Da die Fotografien die Gegenwart mit den Spuren unser Zeitgenossen zeigen und zugleich die Zeit Turners durch ein formales und sinnliches Wiedererkennen hervorrufen, sind die kleinen Fotomontagen, in Größe der malerischen Originale, Zeitmaschinen, die uns Betrachter zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her transportieren.

Auch Nina Kopp aus Amsterdam, deren Fotografien Sie im hintersten kleinen Raum sehen, schlägt eine Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart. Sie greift das bekannte Sujet der Stilleben des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden auf. Sie ahmt diese Gemälde nach, indem sie die Kompositionen mit realen Gegenständen inszeniert. Gleichen diese Arbeiten in ihrer Sorgfalt, Präzision und Ausgewogenheit ihren Vorbildern, so geht Nina Kopp noch einen Schritt weiter. Sei nutzt den Rückgriff auf die Malerei und den Rückgriff auf die Ästhetik der alten Meister, um ein brandaktuelles Thema zu transportieren: Das Sterben der Bienen und die Auswirkungen auf unser Leben. Das fehlende Obst und Gemüse, und die daraus entstehenden Leerstellen in der Komposition der Stillleben, zeigen die Auswirkungen des Bienensterbens auf unsere Ernährungssituation. Die farblich ausgewogenen und durchkomponierte Stilleben geraten damit ins Wanken und verlieren ihre farbliche Ästhetik. Der Rückgriff auf die Zeit der alten Meister ist hier zugleich ein Vorgriff auf die hoffentlich vermeidbare Zukunft.

Ebenso bezieht sich Carla van de  Puttelaar aus Amsterdam mit ihren Akten auf sinnliche Art und Weise auf bekannte Gemälde in Bezug auf die Art der Menschendarstellung, wie z.B. Lucas Cranach oder Ingres.

Gehen wir noch einmal zur freistehenden Stellwand. Auf der Rückseite ist ein Bildschirm mit der Videoarbeit der Medien- und Performancekünstlerin Gabi Blum aus München zu sehen. Sie greift in ihrer Videoarbeit  ein bekanntes Gemälde auf: Solitude von Martin Eder, Jahr ???? Sie bringt das Bild zum Leben in Form eines Tableau vivante – einem lebendigen Bild. Nicht nur in einem rekonstruierten statischen Bild, sondern in einer realen Performance. Sie ahmte das Setting, den genau Bildaufbau und den Inhalt des Gemäldes nach, transportierte ihn in die Gegenwart und machte die zeitliche Dimension der Arbeit sichtbar. In der Malerei wird dagegen der gesamte Ablauf in einem Bild eingefroren. Die Entstehung des Bildes, das Sitzen des Models, die Kulisse wird in der Malerei ausgesperrt. Hier bei der Arbeit von Gabi Blum wird gerade dieser Ablauf wichtigster Bestandteil des Themas. Durch den zusätzlichen Medieneinsatz mittels Video in Echtzeit und der Präsentation abseits des Settings entsteht eine täuschend echte Dopplung des Orignals, das aber an anderer Stelle entzaubert und zugleich mit neuen Inhalten belegt wird.

Bernhard Edmaier aus Ampfing und Katrin Korfmann aus Amsterdam dagegen suchen das Malerische nicht im Rückgriff auf die Gemälde alter Meister. Sie betrachten vielmehr die Phänomene in der Natur und in unserer Gesellschaft und finden dort Zusammensetzungen von Farben, Strukturen und Flächen, die eine unverkennbare Nähe zur Malerei besitzen. Beiden Künstlern ist gemeinsam, dass sie die malerischen Elemente finden, weil sie die Horizontale verlassen und in die Vertikale gehen. Durch die Vogelperspektive werden Flächen-, Farb- und Strukturzusammenhänge sichtbar, die das gewohnte perspektivische Sehen in der Horizontale nicht erfassen kann. Aufgrund dieser Sichtverschiebungen werden Konstellationen und Zusammenhänge fokussiert, die  zu einer Distanz und zu einer Wahrnehmungserweiterung führen. Es ist ein Geschenk, dass wir durch diese Fotografen einen Blick auf die Welt werfen können und unser Treiben  oder das Treiben der Natur von einer Warte aus beobachten können, das dieses in einen größeren Kontext setzt.

Der Leipziger Fotograf und Medienkünstler Marian Luft, dessen Arbeit Sie im Eingangsbereich leuchten sehen, nutzt Bildbearbeitungsprogramme für seine Bilder. Er spielt mit der Form der Collage unter Verwendung von digitalem Bildmaterial aus dem Web, er montiert, setzt Verläufe und fotografiert. Er entzieht sich dabei bewusst dem klassischen, aus der Malerei bekannten Bildaufbau und dem Streben nach einem eindeutigen Bildmittelpunkt. Er überlagert Schrift, Symbole, Slogans, Gesten, Farben, Fotos und Illustrationen. Seine Bilder visualisieren eine Generation, in der alles parallel und gleichzeitig stattfinden kann. Er schafft mit seinen Wort-Bild-Landschaften ausufernde digitale, neobarocke Bilder oder Bildprogramme, die uns in einen Raum des medialen Rauschens führen.

Einen anderen Ansatz verfolgt der Düsseldorfer Fotograf Martin Klimas. In seiner Serie Sonic Sculptures schafft er Bilder, die vordergründig eine große Ähnlichkeit zum Abstrakten Expressionismus haben. Spritzende, explodierende flüssige Farbe, die ungestüm den Bildraum einnimmt. Der Gedanke an Jackson Pollock wird sofort ausgelöst. Und doch ist es nur eine rein visuelle Ähnlichkeit, da Martin Klimas im Gegensatz zu den Künstlern des Abstrakten Expressionismus nicht, die Einbeziehung des direkten Ausdrucks mittels Körpereinsatzes wie Spritzen, Schütten, Schwenken sucht. Vielmehr verfolgt er er einen intellektuellen, technischen Ansatz. Er lässt einen Lautsprecher für sich arbeiten, in dem er seine Lieblingsmusik abspielt. Die Impulse der Schallwellen versetzen die Farben in Bewegung und machen die Musik sichtbar, mittels einer Farbexplosion, Und Man kann sagen, dass Martin Klimas das Action Painting neu definiert und durch seine technische Versuchsanordnung in eine kühle, distanzierte und ästhetische Form gebracht hat.

Ein kurzer abschließender Blick auf die Bühne. Dort steht die Installation der Südkoreanerin Minyoung Paik. Sie bewegt sich im Grenzbereich zwischen Fotografie, Installation und Malerei. In ihren Postkartenständern drehen sich 480 Postkarten mit der Abbildung von Kunstwerken aus den wichtigsten Museen und Sammlungen der Welt. Diese sausen im Kreis. Die Wahrnehmung der Umrisse der einzelnen Kunstwerke auf den Karten geht durch die Bewegung verloren. Es entstehen Farbschlieren, die sich stets verändern. Die Werke verschwinden und sind zugleich anwesend in einem neuen Bild. Wie eine Vergangenheit, von der man weiß, das sie existiert hat, die aber nicht mehr fassbar ist.

Was bleibt zu sagen: Es ist  ein Glück, das sich die Fotografie und die Malerei ständig reiben, konkurrieren, anstacheln und befruchten, da dieser Unruheherd Künstler antreibt, ständig neue Ansätze zu finden, und uns dadurch immer wieder überraschende und neue Bilder präsentiert werden.

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